Grundlagen zur Qualität bei Renovierung und Reparatur von Entwässerungsleitungen und Schächten

 

Im Rahmen des 35. Oldenburger Rohrleitungsforum in Oldenburg hat Siebert + Knipschild einen Einblick in die Grundlagen der Qualitätssicherung bei der Renovierung und Reparatur von Entwässerungsleitungen und Schächten gegeben. Als Referentin hat Michelle Peeck das Thema bei der Fachtagung in den Weser-Ems-Hallen vorgestellt, den dazugehörigen Textbeitrag zum nachlesen finden sie hier.

1       Gesamtbetrachtung der Sanierung

In Deutschland wurde Anfang der 80er Jahre damit begonnen, grabenlose Sanierungstechniken anzuwenden. Anfangs konzentrierten sich die Sanierungssysteme vor allem auf die Renovierungsverfahren. Die Anbindungs- und Schachtsanierungsverfahren entwickelten sich mit einer zeitlichen Verzögerung. Heutzutage wird das Kanalnetz als ganzheitliches System betrachtet, indem Renovierungs- und Reparatursysteme als fester Bestandteil für die Instandhaltung etabliert sind.

Im Bereich der Sanierung werden vorwiegend werksseitig hergestellte Produkte oder vor Ort härtende Reaktionsharzprodukte verwendet. Die Besonderheit der vor Ort härtenden Produkte ergibt sich dadurch, dass das Endprodukt durch den Härtungsprozess auf der Baustelle entsteht. Eine Qualitätssicherung ist somit für das Endprodukt erst nach Abschluss des Einbauprozesses möglich.

2       Dauerhaftigkeit

Abhängig vom vorliegenden Schadensbild können bei der Sanierung Renovierungs- oder Reparaturverfahren zum Einsatz kommen. Bei der Wahl des Sanierungssystems ist neben den Produkteigenschaften auch die Dauerhaftigkeit der Systeme entscheidend. Für Renovierungsverfahren mit Schlauchlinern wird, unabhängig vom Schadensbild des Altrohres, eine technische Nutzungsdauer von über 50 Jahren angenommen. Bei Reparaturverfahren kann die Art des Schadens erheblichen Einfluss auf die Dauerhaftigkeit nehmen, deshalb wird die technische Nutzungsdauer mit 2-20 Jahren angenommen. Die typische Nutzungsdauer liegt zwischen 5 und 10 Jahren.

Für beide Sanierungsvarianten gilt: nur ein verfahrensgerechter Einbau führt dazu, dass die verwendeten Materialien die erwartete Dauerhaftigkeit erreichen.

3       Reaktionsharze

Vor Ort härtende Renovierungs- und Reparatursysteme basieren auf Reaktionsharzen. Die Besonderheit der reaktionsharzbasierten Systeme ist, dass das Endprodukt erst durch eine chemische Reaktion auf der Baustelle entsteht. Nur bei erfolgreichem Reaktionsprozess können die Soll-Eigenschaften des Endproduktes erreicht werden. Die Baustellenbedingungen, wie z.B. Wasserhaltung oder Temperatur, haben dabei entscheidenden Einfluss auf den Aushärteprozess.

Im Hausanschluss- und Reparaturbereich finden vor allem Epoxy-und Silikatharze Anwendung. Bei diesen Harzsystemen sind die genauen Mischungsvorgaben des Herstellers (stöchiometrische Mischung) einzuhalten. Mischungsfehler haben Auswirkungen auf die Viskosität, Reaktivität und die mechanischen Kennwerte des Endproduktes. Eine vollständige Härtung des Reaktionsharzsystems ist bei Mischungsdefiziten nicht möglich.

 

Im Bereich der Schachtsanierung und bei UV-härtenden Anschlusssystemen werden typischerweise UP- oder VE-Harze verwendet. UP- und VE-Harze enthalten Styrol als reaktives Lösemittel, welches während der Härtungsreaktion in die Harzmatrix eingebunden wird. In Hausanschlussbereich wird der Geruch von Styrol als störend empfunden und daher zunehmend durch wenig geruchsintensive Substituenten wie z.B. Methacrylate ersetzt.

4       Besonderheiten in der Sanierung

4.1      Hausanschlusssanierung

Die Sanierung von Entwässerungsleitungen im Hausanschlussbereich bringt gegenüber der haltungsweisen Sanierung einige besondere Anforderungen mit sich. Die Hausanschlussleitungen haben typischerweise kleine Durchmesser ≤DN 200 und weisen häufig eine Vielzahl von Bögen und Abwinklungen auf, weshalb eine hohe Bogengängigkeit der Systeme gefordert wird. Durch die geringen Durchmesser ist auch eine Probennahme analog zu der in der haltungsweisen Sanierung meist nicht möglich. Die Entnahme eines Probestückes außerhalb der Anschlussleitung wäre möglich, ist jedoch meist nicht repräsentativ für die eigentliche Sanierung. Daher werden bei Anschlusslinern Proben im Form eines Bohrkerns mit Durchmessern ≥ 2 cm entnommen. Die Probennahmestelle wird anschließend mit geeigneten Systemen, wie z.B. Epoxidspachtelmasse, verschlossen.

Bild 1: Probestück aus einer Hausanschlusssanierung im Vergleich zu einer 2-Euro-Münze

Eine weitere Besonderheit in der Hausanschlusssanierung ist die Pflicht, dass auf privatem Grund nur DIBt-zugelassene Systeme verwendet werden dürfen. Das bietet für Eigentümer eine gewisse Sicherheit, da die zugelassenen Systeme regelmäßigen Fremdüberwachungen und halbjährlichen Prüfungen unterliegen. Dennoch sollten bei vor Ort härtenden Systemen Probennahmen mit anschließender Qualitätssicherung nach der Installation durchgeführt werden. Je nach Baustelle und Ausführung können auch gut überwachte Systeme durch Fehler beim Einbau eine Minderung der Qualität aufweisen. Auftretende Fehler sind zum Beispiel Tränkungsdefizite, Mischungsfehler, falsche Temperierung, mangelhafte Aushärtung oder Wassereinfluss durch fehlende Wasserhaltung. In der haltungsweisen Sanierung im öffentlichen Bereich sind Standardprüfungen, z.B. gemäß DWA, nach dem Einbau bereits etabliert. Im Hausanschlussbereich werden aktuell viele Sanierungen ohne anschließende Qualitätsprüfung ausgeführt, was dazu führt, dass die tatsächliche Qualität des Endproduktes unbekannt ist und demnach auch keine Sicherheit für eine ausreichende Dauerhaftigkeit gegeben ist.

 

4.2      Schachtsanierung

Bei der Schachtsanierung sind typischerweise eher große Dimensionen im begehbaren Bereich (>DN 800) anzutreffen. Die Besonderheit der Schachtsanierung liegt vor allem in den komplexen Geometrien. Schachtbauwerke können sowohl Rund als auch Eckig sein und besitzen typischerweise einen Konusbereich. Zusätzlich sind in Schächten häufig unterschiedliche Arten von Zuläufen vorhanden, die bei der Sanierung wasserdicht angebunden werden müssen. Die Schachtsohle ist ebenfalls Teil der Sanierung von Schachtbauwerken, diese besitzt üblicherweise ein Gerinne, wodurch eine komplexe Sohlgeometrie des Schachtes entsteht.

Die Probennahme nach der Schachtsanierung gestaltet sich durch die Möglichkeit der Begehbarkeit einfacher als in der Hausanschlusssanierung. Bei Schachtlinern kann so z.B. eine Probennahme analog zu der Probennahme in der haltungsweisen Sanierung vorgenommen werden. Bei verklebenden Systemen findet keine Probennahme statt, die Qualitätssicherung erfolgt direkt über eine Haftzugprüfung im Schacht.

Für vor Ort härtende Systeme in der Schachtsanierung werden keine allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen des Deutschen Institutes für Bautechnik in Berlin (DIBt) ausgestellt. Es wird dennoch empfohlen, sich einen entsprechenden Nachweis über die Durchführung von Eignungsprüfungen des verwendeten Produktes vorlegen zu lassen. Ein solcher Eignungsnachweis sollte zum einen eine genaue Beschreibung des Verfahrens in Form eines Verfahrenshandbuches und Mindestkennwerte (z.B. E-Modul und Glasgehalt) enthalten. Zum anderen sollten auch eine Verwendbarkeitsprüfung (z.B. chemische Beständigkeit und Temperaturbeständigkeit) und eine In-situ-Prüfung vorliegen, die die grundlegende Durchführbarkeit des Sanierungssystems nachweist.

5       Qualitätssicherung

In der haltungsweisen Sanierung mit vor Ort härtenden Reaktionsharzprodukten ist die Qualitätssicherung über Materialprüfungen etabliert. Zu den Standardprüfungen in diesem Bereich gehören die Dreipunktbiegung und die Wasserdichtheitsprüfung am Laminat. Als weitere Prüfung wird außerdem die Bestimmung des Reststyrolgehalts als Nachweis für eine im technischen Sinne vollständige Aushärtung der Harzsysteme durchgeführt. Die Infrarotspektroskopie kann in Stichproben zum Identitätsnachweis des Harzsystems beauftragt werden.

Über die Materialprüfungen wird sichergestellt, dass das Sanierungssystem seine Anforderungen an die mechanischen Kennwerte und die geforderten Produkteigenschaften erfüllt. Da jede Baustelle individuelle Bedingungen mit sich bringt, kann nur eine Materialprüfung nach dem Aushärteprozess eine sichere Aussage über die Qualität des Endproduktes liefern.

5.1      Hausanschlusssanierung

In der Hausanschlusssanierung werden wie in 4.1 erwähnt, vorzugsweise Bohrkerne als Probenmaterial entnommen. Auf Grund der geringen Probengröße können keine Standardprüfungen, wie in der haltungsweisen Sanierung durchgeführt werden.

An den Bohrkernen wird eine visuelle Prüfung des Laminates auf Lufteinschlüsse bzw. Auffälligkeiten und eine Wanddickenbestimmung durchgeführt. Anschließend werden die Materialkennwerte in Abhängigkeit des Harzsystems bestimmt und mit den Vorgaben der Zulassung abgeglichen.

Bei Epoxidharzen wird die Materialkenngröße Glasübergangstemperatur mittels DSC (Dynamische Differenz Kalorimetrie) bestimmt. Die Glasübergangstemperatur ist ein Kennwert für Kunststoffe, der sowohl eine Aussage über die Vernetzung, als auch eine Überprüfung der Mischungsqualität von Reaktionsharzen zulässt. Die Glasübergangstemperatur stellt sich in der Messung als eine Stufe dar. In einem ersten Messlauf wird die Glasübergangstemperatur des Ist-Zustandes der Baustellenprobe bestimmt, wodurch die Qualität der Aushärtung beurteilt werden kann. In einem zweiten Messlauf wird die maximal mögliche Glasübergangstemperatur der Probe bestimmt, was einen Rückschluss auf die Mischungsqualität des Systems ermöglicht.

Bild 2: Ergebnis einer DSC-Analyse

Neben der Glasübergangstemperatur können mit der DSC-Analyse auch weitere thermische Effekte wie z.B. Nachhärtungsreaktionen oder Verdampfungen (z.B. Wasser) erkannt werden.

Für ungesättigte Polyesterharze findet die Messung der Glasübergangstemperatur im Sinne der Qualitätssicherung keine Anwendung, da die Glasübergänge bei diesen Harzsystemen keine starke Ausprägung zeigen.

Bei der Qualitätssicherung von UP-, VE- und Silikatharzsystemen wird die dynamisch mechanische Analyse (DMA) durchgeführt. Bei diesem Prüfverfahren wird ein Probekörper in einer Dreipunktbiegeanordnung einer sinusförmigen mechanischen Beanspruchung ausgesetzt. Als Ergebnis der Analyse wird der E-Modul der Probe ermittelt. Das Prüfverfahren erlaubt die normative Bestimmung des E-Moduls an kleinen Probekörpern. Die Probekörpergröße beträgt ca. 55 mm x 10 mm. Mit der DMA lassen sich für weiterführende Untersuchungen oder Eignungsprüfungen auch Moduln in Abhängigkeit von der Temperatur bestimmen. Dies wird insbesondere dann interessant, wenn Sanierungssysteme höheren Temperaturen ausgesetzt werden, z.B. im industriellen Bereich bei Havariefällen.

 

Für styrolhaltige Harzsysteme wird eine Restmonomerenanalyse mittels Gaschromatographie empfohlen. Dieses Messverfahren ist bei der Qualitätssicherung in der haltungsweisen Sanierung etabliert. Über die gaschromatographische Analyse kann der Gehalt an Reststyrol im Reaktionsharzformstoff bestimmt werden. Im Reaktionsprozess wird das monomere Styrol chemisch in der polymeren Molekülstruktur gebunden. Als Grenzwert für eine im technischen Sinne ausreichende Härtung werden 2 % Reststyrol im Bezug auf die Gesamtprobenmasse angenommen. Reststyrolanalysen ermöglichen an kleinen Probestücken eine Aussage über den Aushärtegrad des Reaktionsharzformstoffes.

5.2      Schachtsanierung

Bei der Qualitätssicherung von Schachtlinern wird die Probennahme und Prüfung analog zu der haltungsweisen Sanierung durchgeführt. Die Ergebnisse der Materialprüfungen sind anschließend mit den Angaben der Eignungsprüfung abzugleichen. Auch bei Schachtlinern wird die Restmonomerenanalyse mittels Gaschromatographie empfohlen, insbesondere wenn das entnommene Probenmaterial Lösemittelgeruch aufweist.

Bei verklebenden Systemen in der Schachtsanierung kann keine Entnahme von Probenmaterial für Materialprüfungen vorgenommen werden. In diesem Fall sind vor Ort Haftzugversuche durchzuführen, um die Qualität der Verklebung des Systems mit dem Altbauwerk sicherzustellen. Haftzugversuche können vor Ort sowohl als Qualitätssicherung nach der Sanierung, als auch zur Bewertung der Beschaffenheit des Altbauwerkes vor der Sanierung durchgeführt werden.

Bild 3: vor Ort Haftzugprüfung

5.3      Reparaturverfahren

Reparaturverfahren beschränken sich auf lokale Schäden und sind meistens verklebend, wodurch eine Probennahme üblicherweise nicht möglich ist. Die Entnahme von Probenmaterial würde den Reparaturerfolg an der Probennahmestelle beeinträchtigen.

Die Qualitätssicherung wird über die optische Inspektion der reparierten Bereiche durchgeführt. Wesentlich für den Sanierungserfolg ist, dass auch die optische Inspektion der Vorarbeiten durchgeführt wird. Bei verklebenden Systemen muss z.B. durch Reinigung und Vorfräsen der Haftgrund für die Verklebung hergestellt werden. Alle Schritte sollten vor der Reparatur durch eine optische Inspektion überprüft und dokumentiert werden.

Insbesondere bei größeren Sanierungsmaßnahmen können Stichproben vor Ort in Form von Materialmustern für die Qualitätssicherung hergestellt werden. Im Falle eines Schadens ist die Entnahme von Materialproben aus dem Schadensbereich zur Ursachenfindung möglich und empfehlenswert.

6       Zusammenfassung

Klare Vorgaben in den Regelwerken z.B. der DWA oder des RSV fördern nicht nur eine steigende Qualität der Systeme durch eindeutige Anforderungen und deutliche Definitionen, sondern fördern auch die Akzeptanz der Sanierungssysteme am Markt.

Moderne Sanierungskonzepte betrachten Haltungen, Schächte und Anschlusssysteme als Gesamtsystem. Die ganzheitlich durchgeführte Sanierung erlaubt es, durch den Einsatz unterschiedlicher, miteinander kombinierbarer Verfahren nachhaltige Sanierungsergebnisse zu erzielen. Ein wesentliches Element dieser Sanierungskonzepte ist eine Qualitätssicherung, die die Besonderheiten der verwendeten Verfahren berücksichtigt. Die Besonderheit der meisten Systeme liegt darin, dass sie auf Reaktionsharzen basieren, daher muss die Qualitätssicherung nach der Aushärtereaktion am Endprodukt durchgeführt werden.

Autoren:

B.Sc. Michelle Peeck
Siebert + Knipschild GmbH
Bergstücken 25
22113 Oststeinbek

Tel.: 040 688714-41
E-Mail: m.peeck@siebert-testing.com

 

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